Samstag, 4. Oktober 2014

The Libertines, Paris, 30.09.14


Konzert: The Libertines
Ort: Le Zénith, Paris
Datum: 30.09.2014
Zuschauer: etwa 5000
Konzertdauer: etwa 90 Minuten




Comebacks seien mit Vorsicht zu genießen hört man oft. "Das machen die nur wegen der Kohle" ist in diesem Zusammenhang der häufigste Spruch, den man ertragen muss. Wobei er natürlich teilweise stimmt. Als sich die Libertines zum ersten Mal 2010 beim Leed/Reading Festival wiederveint hatten, machten Pete und Carl keinen Hehl draus, daß pekuniäre Gründe im Vordergrund standen. Insofern auch nicht überraschend, daß es in dieser Zeit nicht mit der Band weiterging, sondern die Geschichte sporadisch blieb und nach dem Festival wieder zu Ende war. Scheck abgeholt und tschüss !


2014 sieht die Sache schon anders aus. Da spielten die Libertines nicht nur einen chaotischen Gig im Juli im Hyde Park bei dem viele Leute verletzt wurden, sondern auch unter anderem das berühmte Festival im spanischen Benicassim.

Vor dem Gig im Pariser Zenith hatten sie drei Nächte lang den Alexandra Palace in London bespielt, waren also schon warmgelaufen. Das Warmlaufen ersparte ich mir persönlich und verzichtete auf die beiden Vorgruppen Cuckoo Lander und Deers (eine Girlgroup aus Spanien). Ich wollte meine volle Konzentraton auf die Libertines lenken und kam genau pünktlich im gut gefüllten aber wohl nicht ausverkauften Pariser Zénith an. 



Etwa 5000 Leute hatten 55 Euro für eine Karte hingeblättert, die Geschäfte mit der Nostalgie blühen nach wie vor bestens. Dass es aber kein Konzert wurde, daß man nur aus nostalgischen Gürnden gut fand, war besonders erfreulich. Zwar wurden keine neuen Songs gespielt, aber die alten Klassiker wirkten nach wie vor so frisch, herrlich schrammelig und unverbraucht, so daß man nicht das Gefühl hatte, unmoderne und schlecht gealterte Liedkunst vorgesetzt zu bekommen. Vielmehr war hier eine wiedervereinte Band am Start, die ein Best-Of Set erster Güteklasse bot und aufgrund der gezeigten Spielfreude Hoffungen auf neue Lieder und künftige Tourneen nährte. Da sah man einen gutaufgelegten Pete Doherty, der in seinem Anzug schlanker wirkte als noch zuletzt bei seinen Soloauftritten in Pariser Bars und einen Carl Barat, der sich optisch kaum verändert hatte, seitdem die Band im Streit 2004 auseinander gegangen war. Superdrummer Gary Powell trägt inzwischen einen leicht ergrauten Bart, aber ansonsten wirkte er dynamisch und athletisch wie immer. Ein Kraftpaket, das seine Felle 90 Minuten lang windelweich prügelte und sich königlich dabei amüsierte. Bassist John Hassall fiel kaum auf. Der eher scheue Bursche agierte am seitlichen Rande, spielte seine Part aber effizient und tadellos.


Die 4 Burschen wurden zurecht wie Helden gefeiert, denn sie ließen von Anfang an keinen Zweifel daran, daß sie alles geben und beweisen würden, warum die Libertines einen solchen Kultstatus haben. Das fragen sich ja immer wieder einige Nörgler ob die Band nicht vor allem der Yellow Press wegen so mediatisiert worden ist, oder ob es wirklich an der Qualität der Songs liegt, daß sie so bekannt geworden sind. Schon damals hatten Musikjournalisten behauptet, die Libertines seien nur ein schwache Kopie von The Clash, dabei aber verkannt, daß Pete Carl und Co. den jungen Leuten ein echtes Lebensgefühl vermittelte, ein Gefühl der Freiheit und Unangepasstheit, das sie authentisch rüberbrachten.


Und auch heute noch wirken die Libertines wie Rebellen, vor allem im Vergleich zu glattgebügelten Bands wie Franz Ferdinand oder den Arctic Monkeys, die jeden Abend das gleiche auswendig einstudierte Set ihren Fans präsentieren. Bei den Libertines sorgt schon der unstete Lebenswandel von Pete und Carl dafür, daß alles immer spontan und überraschend bleibt und daß die Leute nie genau das gleiche Konzert zu sehen bekommen. Zwar war der Ablauf der Setlist in weiten Zügen mit denen in London identisch, aber ich bin sicher, daß die Art und Weise der Darbietung abwich. Zudem gab es in London nicht die Solonummer von Carl auf der Akustischen Ballad Of Grimaldi, einem sehr beschwingten Song, den Pete solo auch immer mal gerne bringt. Und Fuck Forever bekamen die Londoner fast ganz am Ende, in Paris folgten danach noch etliche Songs.

Highlights des gleichmäßig guten Sets waren die poppigeren, melodiöseren Songs Time For Heroes, Don't Look Back Into The Sun und Tell The King, aber auch das sentimentale Stück Music When The Lighst Go Out und der von Adam Green gecoverte Kracher What A Waster als Zugabe. Verhunzt wurde kein einziger Titel, obwohl manche Leute den Sound als zu schrammelig empfanden. Diesen Gedanken empfand ich als deplatziert, weil gerade diese Schrammeligkeit und Punkigkeit die Libertines ausmachten und ausmachen. Wer es glatter mag, geht halt zu Coldplay oder den White Lies.


Besonders erwähnenswert die gute Harmonie zwischen Pete und Carl. Wie damals sangen die beidne oft gemeinsam in das gleiche Mikro, rockten und schmunzelten sich an, teilten sich die Zigaretten untereinander und liebkosten sich gar am Ende des regulären Sets. Pete war mit seiner ganzen Größe und seinem ganzen Gewicht auf den wesentlich kleineren Carl gesprungen und obwohl Carl seinen Kumpel eine Weile lang huckepack tragen konnte, landeten die beiden ziemlich bald gemeinsam auf dem Boden vor dem Drummer Garry und blieben da auch noch eine  ganze Weile liegen. Ausdruck ungestümter Spielfreude und Unbeschwertheit, die einen ziemlich berührte.


Auch Gary Powell hatte am Ende noch seinen großen Auftritt. Er trat mit nacktem Oberkörper ans Mikro, schrie ausgelassen rum und applaudierte den begeisterten Fans. Ein wahrer Showman, der auch musikalisch für das Gelingen dieses super Gigs enorm wichtig war !

Die Libertines sind zurück ! Freut euch auf die Konzerte in Berlin (Sa, 4.10) und Düsseldorf (So, 05.10) !

Setlist

01: The Delaney
02: Campaign Of Hate
03: Vertigo
04: Time For Heroes
05: Horrorshow
06: Begging
07: The Ha Ha Wall
08: Music When The Lights Go Out
09: What Katie Did
10: The Ballad Of Grimaldi (Carl solo)
11: The Boy Looked At Johnny
12: Boys In The Band
13: Can't Stand Me Now
14: Last Post On The Bugle
15: Fuck Forever (Babyshambles, Pete solo)
16: The Saga
17: Death On The Stairs
18: Don't Look Back Into The Sun
19: Tell The King
20: The Good Old Days

21: What Became Of The Likely Lads
22: Up The Bracket
23: What A Waster
24: France
25: I Get Along



 

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